Sobel, Dava by Laengengrad

Sobel, Dava by Laengengrad

Author:Laengengrad
Format: epub


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DER DIAMANTENE ZEITMESSER

Das Schränkchen ist aus Gold

Und Perlen und Kristall gemacht,

In seinem Innern öffnet sich eine Welt

Und eine kleine, wunderschöne Mondnacht.

WILLIAM BLAKE

The Crystal Cabinet

Rom, heißt es, wurde nicht an einem Tag erbaut. Acht Jahre dauerte allein der Bau der Sixtinischen Kapelle und noch einmal elf Jahre die Ausmalung. Michelangelo stand von 1508 bis 1512 auf seinem Gerüst, um die Decke mit Fresken zu Themen aus dem Alten Testament zu bemalen. Vierzehn Jahre vergingen zwischen Entwurf und Fertigstellung der Freiheitsstatue. Ebenfalls vierzehn Jahre dauerte die Gestaltung des Mount Rushmore Monuments. Der Bau von Suez- und Panamakanal dauerte jeweils zehn Jahre, und zwischen dem Entschluß, einen Menschen auf den Mond zu bringen, und der erfolgreichen Landung der Apollo-Raumkapsel dürften gleichfalls zehn Jahre vergangen sein.

John Harrison arbeitete neunzehn Jahre an seiner H-3. Historiker und Biographen können nicht erklären, warum dieser Mann, der in zwei Jahren eine Turmuhr baute, ohne nennenswerte Erfahrungen auf diesem Gebiet zu haben, und in neun Jahren zwei bahnbrechende Schiffsuhren konstruierte, warum dieser Mann sich bei der H-3 so viel Zeit gelassen hat. Nichts deutet darauf hin, daß der besessene Arbeiter Harrison gebummelt hat oder sich ablenken ließ. Im Gegenteil, es spricht einiges dafür, daß er ausschließlich an der H-3 arbeitete, womöglich auf Kosten seiner Gesundheit und der Familie, denn sein Projekt beanspruchte ihn so sehr, daß er keine anderen, lukrativeren Aufträge annehmen konnte. Er baute zwar aus Geldnot ein paar schlichte Uhren, lebte in dieser Zeit aber offenbar nur von den Mitteln der Längenkommission, die den Ablieferungstermin mehrere Male verschob und ihm fünfmal einen Betrag von 500 Pfund zukommen ließ.

Die Royal Society, die im Jahrhundert zuvor als angesehenes Wissenschaftskolleg gegründet worden war, blieb in dieser Zeit der Prüfungen fest an Harrisons Seite. Sein Freund George Graham und andere ihm gewogene Mitglieder dieses Gremiums bestanden darauf, daß Harrison seine Werkstatt zumindest einmal verließ, um am 30. November 1749 die Copley-Goldmedaille entgegenzunehmen. (Spätere Träger dieser Auszeichnung waren unter anderen Benjamin Franklin, Henry Cavendish, Joseph Priestley, James Cook, Ernest Rutherford und Albert Einstein.)

Auf die Medaille, die höchste Auszeichnung, die seine Freunde vergeben konnten, folgte später das Angebot, ihn in die Royal Society aufzunehmen. Harrison hätte dann die prestigeträchtigen Buchstaben F. R. S. (Fellow of the Royal Society) hinter seinen Namen setzen können. Doch er lehnte ab. Er bat darum, die Ehre seinem Sohn William zukommen zu lassen. Dabei muß er gewußt haben, daß die Mitgliedschaft für wissenschaftliche Verdienste verliehen wird. Sie kann weder übertragen noch vererbt werden, nicht einmal an engste Angehörige. Gleichwohl wurde William im Jahre 1765 aufgrund eigener Leistungen in die Royal Society aufgenommen.

Der einzige noch lebende Sohn John Harrisons machte sich die Sache seines Vaters zu eigen. William, der noch ein Kind war, als die Arbeit an den Schiffsuhren begann, verbrachte seine Jugendjahre in der Gesellschaft der H-3. Bis zum fünfundvierzigsten Lebensjahr arbeitete er gemeinsam mit seinem Vater an den Längengradzeitmessern, begleitete sie auf ihren Erprobungsfahrten und stand Harrison senior in den Auseinandersetzungen mit der Längenkommission zur Seite.

Die H-3 mit ihren 753 Einzelteilen war für die Harrisons offenbar eine Herausforderung, die sie mit Bravour meisterten.



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